Ein Plädoyer gegen Strafen hin zu einer Kultur der Wiedergutmachung

Verhaltensorientierte Strafen sind in der Schulpraxis noch immer weit verbreitet. Dies wird im „WirEltern“ vom Juni 2018 mit dem Artikel „Strafen führen nicht zum Ziel“ in Bezug auf die Schule beschrieben.

Wir vertreten die Haltung, dass Strafen langfristig beiden Parteien schadet. Strafen sind Handlungen, die Kindern unsere Überlegenheit demonstrieren. Solche Interventionen wirken sich langfristig nicht positiv aus. Mit Strafen fördern wir bei den Kindern das Gefühl von Unterlegenheit, Ausgeliefertsein und von „Un-Selbstwirksamkeit“. Was die Gesellschaft jedoch braucht, sind Kinder und Jugendliche, die emotional gestärkt, selbstbewusst, emphatisch und sozialisiert durchs Leben gehen. Wir möchten junge Erwachsene, die in der Sozial- und Selbstkompetenz reif sind und Konflikte auf Augenhöhe austragen können. Und wir Erwachsene möchten eine tragfähige Beziehung zu den Kindern aufbauen und pflegen. Strafen verkomplizieren diesen Aufbau massgebilch.

Damit Kompetenzen im Umgang mit Grenzüberschreitungen entwickelt werden können, braucht es Lernfelder, in denen Empathie gefragt ist und Verantwortung für das eigene Handeln übernommen werden kann. Nicht Strafen sondern partizipieren lassen und Verantwortungsübernahme sind gefragt. Erwachsene sollen Situationen schaffen, in denen Kinder die Verantwortung für die Lösungsfindung übergeben wird. Erlebnispädagogische Settings bieten hierfür optimale Lernfelder: Im gemeinsamen Kochen eines Snacks auf dem offenen Feuer beispielsweise ist Teamwork und Lösungsorientierung gefragt. Die Erwachsenen begleiten die Konstruktion für Lösungen unter den Kindern. Der Fokus liegt nicht auf dem störenden Verhalten sondern auf der gemeinsamen Lösungssuche.

Auch in Outdoor-Sequenzen passiert es, dass Kinder Grenzen überschreiten. Diese Situationen sind Lernfelder, die wir Kindern durch Strafen wegnehmen. Unsere Aufgabe muss sein, Prozesse sichtbar zu machen und zu benennen, damit gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern die Lösungssuche angegangen werden kann. So findet nachhaltiges Wachstum statt und Kinder dürfen sich auch in schwierigen Situationen als selbstwirksam erleben.

Es gibt Grenzüberschreitungen, die Wiedergutmachungen benötigen: Die Wiedergutmachung, ein Begriff aus der Theorie der „neuen Autorität“, habe ich in der Praxis als Lehrperson und Prozessbegleiter als grundsätzlich nötiger Teil eines echten Lösungskonstrukts kennen gelernt. Die Wiedergutmachung wird vom Kind eingefordert und selber ausgedacht. Durch die Begleitung der Kinder im Finden von echten Lösungen und durch Wiedergutmachungen wird die Beziehung von der Lehrperson und dem Schüler nachhaltig gestärkt, wie auch die Beziehung unter den Konfliktparteien positiv beeinflusst wird. In gestärkten Beziehungen fühlt man sich in seinen Themen wahrgenommen, unterstützt und aufgenommen. 

Wird der Diskurs zwischen SchülerInnen und Erwachsenen auf Augenhöhe für die Ausarbeitung von Regeln und Abmachungen geführt und finden Wiedergutmachungen Einzug in den pädagogischen Alltag, so entsteht eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der Toleranz. In diesen Prozessen tragen die Erwachsenen die Verantwortung dafür, dass Konflikte benannt werden und Räume, wie auch gewinnbringende Fokusse für eine Auseinandersetzung ermöglicht werden. Dafür braucht es Erwachsene mit viel Präsenz, guten Beziehungen zu den SchülerInnen und einen reflektierten Umgang mit dem Thema der eigenen Unsicherheit.