Klassenbegleitung Krise – Einblicke in ein Praxisbeispiel
In diesem Beitrag beschreibe ich ein Praxisbeispiel einer Krisenintervention. Diese Intervention fand in einer Zürcher Gemeinde an einer 3. Oberstufe statt. Sie dauerte rund ein Jahr, wobei vor allem in der Anfangsphase eine hohe Präsenz von unserer Seite geleistet wurde. Damit keine Rückschlüsse auf Schüler*innen möglich sind, wurden alle Angaben anonymisiert.
Absicht Schulleitung
Im März erkundigte sich ein Schulleiter nach einer Krisenintervention. Schüler seien sehr schwer führbar, verbale und teilweise körperliche Gewalt sei an der Tagesordnung und an Unterricht und Lernen sei in diversen Lektionen nicht zu denken. Er wünsche sich eine Intervention, bei welcher das ganze Team etwas lernen könne.
Startphase mit den Pädagog*innen
So starteten wir vor den Sommerferien 2020. Anfang Juli erarbeiteten wir nach einer Methode aus der neuen Autorität gemeinsam mit allen Lehrpersonen die brisantesten Themen, welche sie angehen wollten. Dieser Prozess ist sehr wichtig: er unterstützt Teams darin, aus vorhandenen Emotionen Entwicklungsthemen herauszuschälen. Solche Themen sind es, welche nachher pädagogisch bearbeitet werden können. Die Emotionen geben wichtige Hinweise, was es zu bearbeiten gilt. Den Jugendlichen, wie auch den Eltern (Elternabend) berichteten wir von den anstehenden erwünschten Entwicklungsschritten.
Outdoortage - neues Verhalten entdecken
Gleichzeitig starteten Alex Jäger und ich die Arbeit outdoor mit der Klasse. Wir haben die Klasse indoor als dem Prozess sehr kritisch gegenüberstehend erlebt und durften uns outdoor positiv überraschen lassen. Viel Einsatz und Positivität wurde gezeigt. So waren auch die anwesenden Lehrpersonen positiv überrascht und konnten aus der Beobachterperspektive wertschätzende Rückmeldungen der Klasse rückmelden.
Bald nach dem ersten Outdoortag fand ein Klassenlager statt. Wir waren an zwei Tagen vor Ort und haben die Klasse für eine Outdoorübernachtung ins persönliche Biwak in die Berge mitgenommen. Ziel dieser Tage war es, die eigene Komfortzone zu erweitern, sich neu kennenzulernen und den Klassenzusammenhalt zu stärken. In der Vorbereitung zeigte die Klasse massiven Widerstand. Vor Ort durften wir mutige und tatkräftige Jugendliche sehen. Es wurde gebaut, gekocht, einander geholfen und über sich selbst hinausgewachsen.
Präsenzerhöhung
Das gesamte Klassenlager gab sowohl den Jugendlichen, als auch den Lehrpersonen Mut und Schub für die darauf folgende Zeit. Zurück im Schulalltag haben wir für einige Jugendliche eine erhöhte Präsenz (wöchentliche Feedback-/Lerncoachinggespräche mit Fach- und/oder Klassenlehrpersonen, Coachinggespräche mit SSA, Elternkontakte) eingeführt. Gleichzeitig haben alle dreizehn beteiligten Lehrpersonen regelmässig an Fachteamsitzungen ausgetauscht. Dort wurde das gemeinsame Verständnis für einzelne Jugendliche erhöht, wie auch die gemeinsame Handhabe in schwierigen Situationen abgemacht. Gleichzeitig hatte das Team einen „Schattenstundenplan“ erarbeitet – alle Jugendlichen mit erhöhter Präsenz hatten eine „Schattenklasse“ in welcher sie hingeschickt werden konnten, falls sie das erwünschte Verhalten nicht zeigen konnten.
Alle Schüler*innen konnten während der 3. Oberstufe im Klassenverbund bleiben und wurden durch die gesamte Schule getragen. Es ist nicht so, dass dies immer einfach war oder dass sich durch die Intervention keine herausfordernden Situationen mehr zeigten. Aber man kann festhalten, dass sich alle Personen in diesem System bewegt haben: die einzelnen Schüler*innen, die Eltern, die Pädagog*innen. Dadurch ist die Tragfähigkeit markant gestiegen, die Zusammenarbeit hat sich weiterentwickelt und die Jugendlichen wurden eng begleitet und gecoacht.
Weiterbildung Lösungsorientierung und neue Autorität
Während dem Jahr durften wir zwei Weiterbildungssequenzen als Inputs ins Gesamtteam bringen. Eine zum Thema „interdisziplinäre Zusammenarbeit“ und eine zum Thema „Umgang mit herausforderndem Verhalten – Methoden aus der Lösungsorienterung und der neuen Autorität“.
Wie gelingt eine solche Intervention - Resümee
Mich hat die Haltung der Schulleitung „das gesamte Team soll etwas lernen dürfen“ beeindruckt. Wenn eine Krise von der Leitung als Chance angesehen wird, so ist dies eine für den Prozess wertvolle Grundausrichtung. Die Schulleitung übernimmt mit einem solchen Statement Führung und Verantwortung.
Im ersten Schritt war es wichtig, aus Emotionen Entwicklungsthemen herauszuarbeiten. Die Methode der 4-Körbe von Haim Omer nutze ich hierfür gerne. Dies mit einem Team von 10 Personen zu erarbeiten, ist ein interessanter Prozess, der emotionale Themen gut in eine Sachlichkeit bringt und eine gemeinsame Bewertung – und Annährung aneinander – kann stattfinden.
Die erlebnispädagogische Arbeit gab Luft und Zuversicht in die Klasse. „Wir können ja doch etwas!“. Im anderen Raum neue Eigenschaften an sich und an den anderen erleben zu dürfen, ist extrem hilfreich in Krisenzeiten. Auch den Lehrpersonen ist es gut geglückt, in den Outdoor-Sequenzen die Fhrung die Fhe Arbeit rden eng be. Auch den Lehrpersonen ist es gut geglückt, in den Outdoor-Sequenzen die Fhe Arbeit rden eng beührung an Klassenbegleitung abzugeben und in die Beobachterrolle zu schlüpfen. Für die Beobachter*innen nutzen wir jeweils Fragen aus der Lösungsorientierung, aus deren Antworten wertschätzende Feedbacks an die Schüler*innen entstehen.
Am Elternabend ist es gut gelungen, die Eltern für die Themen zu sensibilisieren und die Haltung der Schule transparent und öffentlich zu machen – im Sinne einer Ankündigung.
Schulterschluss und Timing
Dieser Schulterschluss von Pädagog*innen, Schulleitung und Eltern hat für das Gelingen und für das Weiterkommen an dieser Schule gesorgt. Es braucht ein gutes Timing: Wann ist welcher Schritt der richtige? Wann müssen die Eltern informiert werden? Wann braucht es Outdoor-Tage? Wofür sind die Pädagog*innen bereit? Wer hat für was Energie?
Autor: Lucas Zack